Die neue Aktivrente: Arbeiten im Rentenalter - Worauf Arbeitgeber achten müssen
15. October 2025

Zusammenfassung
- Das Bundeskabinett hat den Entwurf des Aktivrentengesetzes beschlossen, das Steueranreize für Arbeit im Rentenalter schafft
- Arbeitsverhältnisse enden bei Altersbefristung automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze
- Weiterbeschäftigung im Rentenalter ist durch eine Hinausschiebensvereinbarung möglich, aber an strenge Voraussetzungen geknüpft
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rentenalter (Aktivrentengesetz) beschlossen. In Kraft treten soll die Aktivrente bereits zum 01. Januar 2026. Der Bundestag und der Bundesrat müssen noch zustimmen.
Mit Steueranreizen möchte die Regierung Arbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze zum Bezug einer Altersrente attraktiver machen. Durch das Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus soll einerseits der Fachkräftemangel abgefedert und andererseits das gesetzliche Rentensystem entlastet werden.
Zusammengefasst sieht die Aktivrente vor, dass Menschen, die auch nach Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze noch arbeiten, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen können. Die bis zu 2.000 Euro unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt, erhöhen also nicht den Steuersatz für das restliche zu versteuernde Einkommen.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen aber auch bei der Aktivrente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abführen, der Arbeitgeber außerdem auch in die Renten- und Arbeitslosenversicherung einzahlen.
Begünstigt sind sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nicht Selbstständige und Beamtinnen und Beamte) ab Überschreiten des gesetzlichen Rentenalters und nach Vollendung des 67. Lebensjahres. Dabei greift die Begünstigung unabhängig davon, ob die oder der Steuerpflichtige eine Rente bezieht oder den Rentenbezug ggf. aufschiebt.
Chancen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer auch nach dem Rentenreintritt bietet Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Chance, auch langfristig noch voneinander zu profitieren. Voraussetzung ist für Arbeitgeber zwingend eine vorausschauende Planung und die rechtssichere Gestaltung der Vertragsverhältnisse. Dann kann die Aktivrente dazu beitragen, die Potenziale auch älterer Arbeitnehmer voll auszuschöpfen.
Im Folgenden zeigen wir, welche arbeitsrechtlichen Fallstricke Arbeitgeber bei der Arbeit im Rentenalter nach aktueller Rechtslage berücksichtigen müssen.
Auswirkungen der Regelaltersgrenze auf das Arbeitsverhältnis
Zunächst müssen Arbeitgeber prüfen, welche Auswirkungen das Erreichen des Rentenalters auf das Arbeitsverhältnis hat. Das hängt davon ab, ob das Arbeitsverhältnis altersbefristet ist, oder nicht.
Arbeitsverhältnis ohne Altersbefristung
Ein Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch mit Erreichen des Rentenalters, wenn es nicht auf Erreichen der Regelaltersgrenze befristet ist. Ohne Altersbefristung muss das Arbeitsverhältnis entweder durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung beendet werden - wobei eine Kündigung nicht aufgrund des Alters erfolgen darf. Bis dahin besteht das unbefristete Arbeitsverhältnis auch über das Erreichen des Rentenalters hinaus unverändert fort. Die Arbeitsparteien müssen in solchen Fällen nicht aktiv werden, um das Arbeitsverhältnis zur aktiven Rente zu verlängern.
Arbeitsverhältnis mit Altersbefristung
Üblicherweise sehen Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge aber sogenannte Altersbefristungen vor. Mit diesen Klauseln wird das Arbeitsverhältnis befristet, sodass es mit Erreichen der Regelaltersgrenze automatisch endet. Soll das Arbeitsverhältnis über diese Altersbefristung hinaus fortgesetzt werden, müssen die Arbeitsvertragsparteien rechtzeitig aktiv werden.
(Während Befristungen von Arbeitsverträgen zu ihrer Wirksamkeit gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG grundsätzlich der Schriftform bedürfen, setzt eine Befristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB VI seit Inkrafttreten des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes nur noch Textform voraus.)
Weiterbeschäftigung bei Altersbefristung und nach Renteneintrittsalter
Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer möchten in solchen Fällen die aktive Arbeit im Rentenalter regelmäßig nur für eine befristete Übergangszeit vereinbaren. Insbesondere Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass der Arbeitsplatz zwar bis zu einem planbaren, festen Zeitpunkt weiterhin besetz ist; danach aber für einen Generationswechsel frei wird.
Die aktuelle Rechtslage, insbesondere das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), erschwert solch weitere Befristungen über das Renteneintrittsalter hinaus aber. Ob der Gesetzgeber diese Hürden mit der Gesetzesänderung zur Aktivrente abbaut, bleibt abzuwarten. Stand heute sind folgende allgemeine Befristungsregelungen zu beachten:
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn einer der in § 14 Abs. 1 TzBfG genannten Sachgründe vorliegt. Die zulässigen Sachgründe, die eine Befristung erlauben, werden von der Rechtsprechung streng ausgelegt.
Zwar ist in § 23 TzBfG in Verbindung mit § 41 Abs. 2 SGB VI und § 10 Nr. 5 AGG gesetzlich geregelt und sowohl vom Europäischen Gerichtshof als auch vom Bundesarbeitsgericht anerkannt, dass eine Befristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze zulässig ist, weil der Arbeitnehmer durch seine Rente abgesichert ist.
Dieser sachliche Befristungsgrund ist mir Erreichen der Regelaltersgrenze aber „verbraucht". Er kann für eine erneute Befristung eines Arbeitsverhältnisses, das noch über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wird, nicht mehr für eine neue Befristungsvereinbarung herangezogen werden.
Und wegen des Alters generell oder dem Bezug einer Altersrente kann das fortdauernde Arbeitsverhältnis auch nicht befristet werden. Eine solche Befristung wäre nach § 7 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz unwirksam, weil sie eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellt.
Eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist regelmäßig auch nicht zulässig, weil mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Soll der Arbeitnehmer im Rentenalter bei dem bisherigen Arbeitgeber weiterbeschäftigt werden, muss sichergestellt werden, dass kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Es besteht ein hohes Rechtsrisiko, dass eine neue Befristungsabrede unwirksam ist.
Hinausschiebensvereinbarung als Lösung
Der Gesetzgeber bietet mit der Spezialnorm des § 41 Satz 3 SGB VI aber eine Lösung an: Die befristete Fortsetzung des altersbefristeten Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Renteneintrittsalters kann beim aktuellen Arbeitgeber aufgrund einer sogenannten Hinausschiebensvereinbarug erfolgen:
„Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben."
Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundesarbeitsgericht haben klargestellt, dass für das Hinausschieben allein kein Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG erforderlich ist und es sowohl mit dem Unionsrecht als auch mit dem nationalem Recht vereinbar ist (BAG, Urt. v. 19.12.2018, Az.: 7 AZR 70/17; EuGH Ur¬t. v. 28.02.2018, C-46/17 - John). Die Hinausschiebensvereinbarung ermöglicht eine sachgrundlos befristete Weiterbeschäftigung über das Rentenalter hinaus trotz bereits zuvor bestehendem Arbeitsverhältnis.
Voraussetzungen der Hinausschiebensvereinbung streng beachten
Als Ausnahmetatbestand unterliegt die Hinausschiebensvereinbarung aber strengen Anforderungen, die genauestens umgesetzt werden müssen:
Altersbefristung
Die Hinausschiebensvereinbarung setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristet ist.
Zeitpunkt der Hinausschiebensvereinbarung
Sie muss noch während des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, also vor Erreichen der Regelaltersgrenze. Ist die Regelaltersgrenze erst einmal erreicht, ist das Arbeitsverhältnis durch die Altersbefristung bereits beendet. Soll der Arbeitnehmer danach in den Betrieb zurückgeholt werden, liegt arbeitsrechtlich eine Neueinstellung vor, für die die oben genannten allgemeinen Befristungsregeln gelten.
Keine Änderung der übrigen Vertragsbedingungen
Sicherheitshalber sollte in der Hinausschiebensvereinbarung nur der Beendigungszeitpunkt, hinausgeschoben werden. Andere Vertragsbedingungen sollten nicht geändert werden.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob das Tatbestandsmerkmal des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI voraussetzt, dass nur die Vertragslaufzeit verlängert wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Das ist insbesondere relevant, wenn Arbeitnehmer im Alter zum Beispiel die Arbeitszeiten reduzieren möchten. Risiko ist hier stets, dass sich bei Verletzung der Voraussetzungen die hinausgeschobene Befristung nicht auf § 41 S. 3 SGB VI stützen lässt und wiederum ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht.
Andere Änderungen ggf. separat vereinbaren
Der Annahme einer Hinausschiebensvereinbarung im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI steht eine Änderung der sonstigen Vertragsbedingungen nach bisheriger Rechtslage und Rechtsprechung des BAG jedenfalls dann nicht entgegen, wenn diese weder gleichzeitig noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Änderung der Vertragslaufzeit vereinbart wird. Entscheidend ist, ob die Änderung der sonstigen Arbeitsbedingungen gleichzeitig oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Änderung der Vertragslaufzeit vereinbart wird. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls.
Das BAG bestätigte bislang, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen sechs Wochen nach Abschluss der Hinausschiebensvereinbarung unschädlich ist, in einem Fall, in dem die Arbeitsbedingungen nach Abschluss der Hinausschiebensvereinbarung und nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich geändert wurden (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17).
Zeitraum und mehrfaches Hinausschieben
Bestimmte Mindest- oder Höchstvorgabe für das Hinausschieben des Beendigungsdatums des Arbeitsverhältnisses sieht das Gesetz nicht vor. Auch die mehrfache Verlängerung der Beendigung eines solchen Arbeitsverhältnisses ist nach dem Gesetzeswortlaut zulässig. Auch das mehrfache Hinausschieben muss während des (hinausgeschobenen) Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Allerdings fordert der EuGH, dass kein Rechtsmissbrauch vorliegt. Wann die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschritten wird, beurteilt sich nach dem Einzelfall. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Schriftform
Schon aus Beweisgründen sollte die Hinausschiebensvereinbarung schriftlich vereinbart werden und jeder Partei eine Ausfertigung ausgehändigt werden.
Weitere arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte beachten
Bei einer Weiterbeschäftigung über die tarifliche Altersgrenze hinaus muss in Betrieben mit Betriebsrat der Betriebsrat beteiligt werden. Aus Sicht des BAG ist auch hier eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung gegeben.
Die Weiterbeschäftigung hat auch sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen. Arbeitgeber müssen regelmäßig weiterhin Arbeitgeberbeiträge abführen; Arbeitnehmer zahlen weiterhin Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Wollen Arbeitnehmer mit Rentenbeginn dem Unternehmen noch als Selbständige beratend erhalten bleiben, muss eine Scheinselbstständigkeit sorgfältig geprüft und durch entsprechende Gestaltungen vermieden werden.
Rechtstipps:
Arbeitgeber sollten die Aktivrente interessierter Mitarbeiter frühzeitig planen und sich im Einzelfall von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
Rechtssicher lässt sich die befristete Weiterbeschäftigung im Rentenalter durch eine wirksame Hinausschiebensvereinbarung umsetzen. Diese muss rechtzeitig und unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen getroffen werden.
Ob der Gesetzgeber mit oder im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Einführung der Aktivrente weitere Erleichterungen zur Hinausschiebensvereinbarung regeln wird, bleibt abzuwarten. Wir beraten Sie gerne.