Kündigungen deutscher Arbeitnehmer aus dem Ausland: Hierauf müssen internationale Unternehmen achten
13. September 2025

Zusammenfassung
- Kündigen Sie auch in grenzüberschreitenden Konstellationen grundsätzlich schriftlich, um erhebliche Prozessrisiken in Deutschland zu vermeiden.
- Wenn Sie ohne Schriftform kündigen möchten, prüfen Sie die Formvorschriften des Erklärungsstaates detailliert und dokumentieren Sie alle rechtfertigenden Umstände nachweisbar.
- Fügen Sie bei Vertretung durch Bevollmächtigte eine Originalvollmacht bei und schieben Sie vorsichtshalber eine hilfsweise schriftliche Kündigung nach.
In diesem Artikel erklärt Rechtsanwalt und Steuerberater Hubertus Scherbarth, welche Formerfordernisse bei grenzüberschreitenden Kündigungen zu beachten sind. Hierbei werden die Regeln berücksichtigt, die die neuste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellt hat.
Schwierigkeiten bei grenzüberschreitender Kündigungserklärung
Nach § 623 BGB müssen Kündigungen in Deutschland zwingend schriftlich erfolgen – das heißt sie müssen von einer kündigungsberechtigten Person händisch unterschrieben sein und das originale Kündigungsschreiben muss dem Vertragspartner im Original zugehen. Mündliche oder elektronische Kündigungserklärungen sind formunwirksam. Das Formerfordernis ist zwingend und fast ausnahmslos einzuhalten.
In der Praxis führt das häufig zu Schwierigkeiten. Unternehmen mit ausländischen Konzernmüttern oder im Ausland befindlicher Geschäftsführung ist das deutsche Schriftformgebot häufig nicht geläufig. Die grenzüberschreitende Zustellung einer schriftlichen Kündigung ist zudem mit erhöhtem Zeitaufwand und Zustellrisiken verbunden. Hieraus können Frist- und Zugangsprobleme entstehen.
Ausnahme vom Schriftformerfordernis nach internationalem Privatrecht
Jedoch gilt auch hinsichtlich der strengen Schriftform die Redewendung: „Ausnahmen bestätigen die Regel". So ist es in einigen bestimmten grenzüberschreitenden Konstellationen möglich, ein deutsches Arbeitsverhältnis zu kündigen, ohne die strenge Schriftform einhalten zu müssen.
Bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen regelt das internationale Privatrecht in der Rom I-VO (vormals bis 16.12.2009 das EGBGB), welches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Das richtet sich gem. Art. 8 Rom I-VO grundsätzlich nach der vertraglichen Rechtswahl, wobei hierdurch nicht von zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften abgewichen werden kann. In Ermangelung einer Rechtswahl unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. In der Regel führen die Kollisionsnormen somit dazu, dass Arbeitsverhältnisse deutschem Recht unterliegen, wenn der Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet.
Allerdings enthält Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO eine spezielle Norm zur Kündigungsform bei Arbeitsverhältnissen. Maßgeblich ist insoweit das Recht des Ortes, an dem die Kündigungserklärung abgegeben wird; und zwar unabhängig davon, welches Recht im Übrigen auf das betreffende Arbeitsverhältnis anwendbar ist.
Erklärt der Arbeitgeber eine Kündigung beispielsweise von Chicago aus per E-Mail, gelten die Formerfordernisse nach dortigem US-Recht. Weil das Recht der Vereinigten Staaten dort keine Schriftform für Kündigungen vorschreibt, muss die Kündigung nicht schriftlich erklärt werden.
Das Bundesarbeitsgericht hat entsprechend bereits mit Urteil vom 22.08.2024, 2 AZR 251/23, entschieden, dass Kündigungen, die aus dem Ausland aus ausgesprochen werden, nicht zwingend der deutschen Schriftform unterliegen. Diese Linie hat das BAG mit seiner jüngsten Entscheidung vom 18.06.2025, 2 AZR 97/24 (B) bestätigt.
Reichweite der Ausnahme stark beschränkt
Wichtig ist, dass diese Spezialvorschrift des Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO nur Abweichungen zur Form der Kündigungserklärung erlaubt. Für andere Belange eines deutschen Arbeitsverhältnisses bleibt nationales Recht anwendbar. Aus nationalem Recht ergeben sich zudem einige mittelbare Einschränkungen und Folgeprobleme, die im Einzelfall zu beachten sind. Das hat auch das BAG klargestellt. Wichtig sind insbesondere:
1. Kündigungsfrist muss eingehalten werden
Für die Kündigungsfrist gilt weiterhin deutsches Recht (§ 622 Abs. 2 BGB). Diese Schutzvorschrift ist nach der Rechtsprechung zwingend und nicht zu Lasten des Arbeitnehmers dispositiv.
2. Klagefrist nach dem KSchG läuft nur bei schriftlicher Kündigung
Auch der gerichtliche Kündigungsschutz kann und muss weiterhin nach nationalem Recht verfolgt werden. So gilt weiterhin die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG, die nur dann zu laufen beginnt, wenn dem Arbeitnehmer eine schriftliche Kündigung zugeht. Geht die Kündigung aus dem Ausland dem Arbeitnehmer z. B. per E-Mail zu, mag diese wegen des internationalen Privatrechts ausnahmsweise formgemäß sein. Jedoch wird die Klagefrist nach dem KSchG nicht in Gang gesetzt.
3. Vertragliche Regelungen und Nachweisgesetz sind einzuhalten
Auch vertragliche Regelungen und das Nachweisgesetz gelten uneingeschränkt. Das Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitnehmer eine Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Zu den wesentlichen Vertragsbedingungen gehört gem. § 2 Abs. 1 S. 7 Nr. 14 NachwG auch die Schriftform der Kündigung. Die meisten Arbeitsverträge enthalten auch vor diesem Hintergrund eine Regelung, dass jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Schriftform bedarf. In diesem Fall sind Arbeitgeber schon vertraglich an die Schriftform gebunden, unabhängig davon, ob sie die Kündigung aus dem Ausland versenden oder nicht.
4. Internationales Privatrecht darf nicht rechtsmissbräuchlich ausgenutzt werden
Das internationale Privatrecht darf nicht absichtlich genutzt werden, um die Schriftform nach nationalem Recht zu umgehen. Begibt sich der Arbeitgeber zum Beispiel mit der Absicht ins Ausland, um dort eine Kündigungserklärung ohne Schriftform abzugeben und so die Schriftform zu umgehen, dürfte eine solche Kündigung unwirksam sein.
5. Bei Erklärung durch Bevollmächtigten Vollmachtsurkunde vorlegen
Lässt sich der Arbeitgeber durch einen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten bei Abgabe der Kündigungserklärung vertreten, muss er § 174 BGB beachten. Danach kann der Arbeitnehmer eine Kündigung unverzüglich zurückweisen, wenn der Bevollmächtigte bei Erklärung der Kündigung keine originale Vollmachtsurkunde vorlegt. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn die vertretungsberechtigte Person als solche im Handelsregister eingetragen ist.
Ergebnis und Handlungsempfehlung
Für ein und dasselbe Arbeitsverhältnis können bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für verschiedene Belange unterschiedliche Rechtsordnungen gelten. Auch wenn eine Kündigung aus dem Ausland ausnahmsweise ohne Einhaltung der Schriftform wirksam erklärt werden kann, ist im Übrigen grundsätzlich deutsches Recht einzuhalten. Erfolgt die Kündigung nicht schriftlich entstehen dadurch an anderer Stelle erhebliche Prozessrisiken in Deutschland.
Kündigungen hiesiger Arbeitsverhältnisse sollten schon deswegen auch in internationalen Konstellationen immer schriftlich erklärt und im Original nachweisbar zugestellt werden.
Wenn ein Arbeitgeber ohne Einhaltung der Schriftform kündigen möchte, sollte er die Ausnahmevoraussetzungen, insbesondere die Formvorschriften des Staates, aus dem die Kündigung erklärt wird, detailliert prüfen. Zudem sind die Umstände, die die Ausnahme rechtfertigen, nachweisbar zu dokumentieren.
Soll die Kündigung von einem nicht im Handelsregister eingetragenen Bevollmächtigten erklärt werden, sollte der Kündigung eine Originalvollmacht beigefügt werden.
Vorsichtshalber ist dem Arbeitgeber anzuraten, zusätzlich noch eine hilfsweise schriftliche Kündigung nachzuschieben.
Wir beraten Sie kompetent zu Beendigungsmöglichkeiten eines Arbeitsverhältnisses. Wir helfen Ihnen, die mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig einhergehen Risiken zu erkennen und bestmöglich zu minimieren.
Fragen und Antworten
- Die Kündigung muss von einer kündigungsberechtigten Person händisch unterschrieben sein
- Das originale Kündigungsschreiben muss dem Vertragspartner im Original zugehen
- Mündliche oder elektronische Kündigungserklärungen sind formunwirksam
- Das Recht richtet sich nach der vertraglichen Rechtswahl
- Ohne Rechtswahl gilt das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet
- Für die Kündigungsform gilt jedoch eine Spezialregelung nach Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO
- Kündigungsfristen nach deutschem Recht (§ 622 BGB) müssen eingehalten werden
- Die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG läuft nur bei schriftlicher Kündigung
- Vertragliche Regelungen zur Schriftform bleiben bindend
- Das Nachweisgesetz gilt uneingeschränkt
- Rechtsmissbräuchliche Ausnutzung ist unzulässig
- Der Bevollmächtigte muss bei Erklärung der Kündigung eine originale Vollmachtsurkunde vorlegen
- Ohne Vorlage kann der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich zurückweisen
- Ausnahme: Die Vollmachtsurkunde ist nicht erforderlich, wenn die vertretungsberechtigte Person als solche im Handelsregister eingetragen ist
- Immer schriftlich kündigen: Kündigungen sollten auch in internationalen Konstellationen schriftlich erklärt und im Original nachweisbar zugestellt werden
- Detaillierte Prüfung: Bei gewünschter Abweichung von der Schriftform die Ausnahmevoraussetzungen und Formvorschriften des anderen Staates detailliert prüfen
- Dokumentation: Die Umstände, die die Ausnahme rechtfertigen, nachweisbar dokumentieren
- Hilfsweise schriftliche Kündigung: Vorsichtshalber zusätzlich eine schriftliche Kündigung nachschieben
- Unbefristete Anfechtbarkeit: Klagefrist nach KSchG läuft nicht an
- Vertragsverletzung: Verstoß gegen vertragliche Schriftformklauseln
- Beweisprobleme: Schwierigere Dokumentation der Kündigungserklärung
- Rechtsunsicherheit: Komplexe internationale Rechtslage